„Los!“
In großen Lettern prangt der Startschuss für die
neueste Ausgabe auf dem Cover des einzigen Fürther Literaturmagazins
LAUFSCHRIFT. Ganz in Weiß ist die Vorderseite gehalten,
zu sehen ist nur die Rückansicht eines kleinen Jungen,
der in die Seiten zu linsen scheint, neugierig darauf, was
das Heft diesmal zu bieten hat. Zwei Mal jährlich erscheint
die LAUFSCHRIFT (pro Ausgabe 3,50 Euro, Abopreis für
vier Hefte 14 Euro), deren dreizehnte Ausgabe es gerade noch
vor Weihnachten in die Regale der Buchläden schaffte.
Junge, meist unbekannte Autoren finden in der LAUFSCHRIFT
ein Forum. Die derzeit sieben Redaktionsmitglieder redensich
in ihren Sitzungen die Köpfe heiß und wählen
[…], welche Texte Eingang in die jeweilige Ausgabe finden.
Dabei werden jedoch nicht nur deutsche Schriftsteller berücksichtigt;
in der vorherigen LAUFSCHRIFT kamen venezolanische Lyriker
zu Wort, dieses Mal konzentriert sich die Auswahl wieder auf
Literaturaus deutschen Landen.
Tristesse scheint dabei das vorherrschende Motto zu sein;
nicht nur die Fotografien von Frank Witschass verbreiten traurige
Stimmung und nassgraue Trübsal. Die abgedruckten Bilder
sind seinem Zyklus „Feinkost Albrecht“ entnommen
und zeigen verlassene Aldi-Märkte an einem Sonntag. Keine
Spur von beflissener Geschäftigkeit. Besonders fröhlich
geht es indem ersten Text […] von […] Maren Burghard,
beileibe auch nicht zu. „Ein Mann wohnt seit zwölf
Wochen in meinem Bett“, so der Titel, erzählt von
einer Frau, die ihre Fantasien von einer glücklichen
Beziehung auf einen Mann projiziert, der in ihrem Bett wohnt
und Karatefilme sieht. […]
Depressionen im wahrsten Sinne des Wortes auch in Martina
Wildners Erzählung „Ist alles normal“. Miriam
heißt die Hauptperson, ein Teenager, der in der psychiatrischen
Abteilung eines Krankenhauses lebt. Glaubwürdig, in deutlicher,
klarer Sprache […] schildert Wildner den kargen Alltag
im „Gefängnis für Kinder, die nicht so sind,
wie sie sein sollen“. Es handelt sich […] aber
um eine Geschichte, genau wie sie sein soll. Am liebsten möchte
man am Ende noch mehr über Miriam und ihre „verrückten“
Freunde wissen.
Der Schwerpunkt der Ausgabe liegt aber auf Lyrik. […]
Tom Schulz aus Berlin reflektiert in „Die Dichter, in
Nähkränzchen“ über das Schreiben von
Gedichten und proklamiert: „Beförderung nur mit
gültigen Versen!“
Redakteur Martin Langanke behandelt in seinem Dossier „Zwischen
Reflexion und Impression“ junge deutschsprachige Lyrik
[…]. Leider muss er feststellen, dass für diese
[Textsorte…] kein Platz mehr zu sein scheint auf dem
deutschen Markt. Die Verlage reduzieren die Produktion auf
etwa einen Band pro Jahr oder bringen nur noch Auflagen von
unter 500 Stück heraus. Auch im Literaturbetrieb gilt
heute: Ohne Vitamin B geht nichts. Die Ausnahmen von der Regel
liefert Langanke gleich mit und stellt Gedichte der drei „poetae
docti“ Christian Lehnert, Armin Senser und Jan Wagner
vor.
Um der Tristesse nicht vollends das Feld zu überlassen,
seien noch die Beiträge von Improtheater-Veteran Sigi
Wekerle erwähnt. „Wie ein Loch ohne Arsch/wie ein
Bunt ohne Barsch“ fühlt sich das Lyrische ich „ohne
Dich“. […] Schließlich soll nicht der Eindruck
entstehen, das Lesen der LAUFSCHRIFT fördere Depressionen.
Ganz im Gegenteil.
Fürther Nachrichten, Mittwoch,
22. Januar 2003
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